Nachdem ich bereits mit dem Mofa in Chios den Süden abgefahren bin, stand nun noch eine Mofatour durch den Norden von Chios an. Windmühlen neben der blauen Ägäis, steile Kurven am Pelineon sowie das alte Kloster Nea Moni, welches wie kaum ein anderes für die leidvolle Geschichte Griechenlands steht, prägen den Norden dieser wunderschönen griechischen Insel.
Auch der nächste Morgen begann wieder mit der Fahrt in die Stadt Chios. Diesmal wollte ich mir zunächst die bekannten Windmühlen an der Straße Richtung Vrontados anschauen. Die Mühlen liegen direkt am Meer. In der Nähe findet man heute noch die alten Gerbereien. Das Minarett der nahen Moschee erinnert an die Herrschaft der Osmanen, die immerhin bis 1912 anhielt.
Chios: Klein-Florida an der Ägäis
Hinter Vrontados wird die Straße schnell steiler und schmiegt sich eng an die Hänge die weiter unten in das Meer abfallen. Die Strecke ist sehr kurvig und schon deshalb ein echtes Vergnügen mit Mofa oder Motorrad. Hinter den ersten Hängen kann man dann Richtung Kardamyla abbiegen. Das kleine Örtchen hat einen Hafen und ein extra Dock – welches in kleinem Maßstab an einige Kanäle in Florida erinnert (oder ist es gar andersherum?). An der Promenade ziehen sich mehrere Cafés und Restaurants von denen man einen schönen Blick auf Inousses hat. Diese vorgelagerten kleinen Inseln sind mit Chios mit einer Fähre verbunden. Auf ihnen wohnen einige der reichsten Griechen, die meist mit Reedereien ihr Geld gemacht haben. Also vielleicht doch das Vorbild für Florida? Für das Auge steht in dem kleinen Küstenort eine weitere der idyllischen Windmühlen.
Pelineon auf Chios: Ein dicker Brocken
Hinter Kardamyla beginnt die Einöde des Nordens. Auch wenn einem auf Chios allgemein selten Verkehrs entgegenkommt, ist die Straße hier komplett leer. In einer halben Stunde habe ich ganze zwei Autos gesehen – davon waren zwei geparkt. Menschen gibt es auch nur wenige in dieser Gegend. Aber dadurch kann man die Fahrt durch die kurvenreiche Strecke noch mehr genießen. Gelegentlich sind unterwegs kleine Strände ausgeschildert. Manchmal fährt man durch eine kleine Ortschaft. Denn der äußerste Norden ist wahrscheinlich der am wenigsten besiedelte Teil von Chios. Jedoch kann es öfter passieren, dass die Straße stattdessen von einer Herde Ziegen blockiert wird. Nach einer knappen halben Stunde kam ich bereits in gute Sichtweite des Pelineon-Berges. Der höchste Gipfel von Chios ragt immerhin 1297 Meter in die Höhe. Und auch wenn es theoretisch nur rund 200 Meter Höhenunterschied zum Brocken im Harz sind, wirkt der Pelineon viel höher. Da er nur wenige Kilometer vom Meer entfernt ist, ist die Diskrepanz wesentlich offensichtlicher. Für Kletterfreunde hat die Gegend einige schroffe Felswände zu bieten.
Anavatos: Alte Stadt zum Erklettern
Nachdem ich den Berg umrundet hatte, kam ich in Sichtweite der alten Festungsstadt Anavatos. Wie ich gehört habe, bedeutet „anavo“ im Griechischen „klettern“. Und die alte Siedlung machte ihrem Namen alle Ehre – denn sowohl ich, als auch das Mofa, mussten wirklich klettern. Die Burg war jedoch gerade wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Aber es gab auch nur ein Schild als Absperrung – kein Hindernis also. Neben Anavatos stehen einige modernere Häuser. In einem kleinen Café war ich an diesem Tag jedoch der einzige Kunde. Dort erzählte mir die Bedienung, dass immer mehr Festlandgriechen sich einige der Ruinen gekauft hätten und diese nun sanieren würden. Als ich jedoch dort war, war weit und breit nichts von Bauarbeitern zu sehen.
Kloster Nea Moni in Chios: Wunde in Griechenlands Seele
Da es schon langsam spät wurde, wollte ich nur noch einen Stopp auf dem Rückweg nach Chios einlegen. Auf dem Weg lag noch das zum Unesco-Weltkulturerbe zählende Kloster Nea Moni. Das Kloster sollte bald schließen aber ein freundlicher Mönch ließ die Tür für mich geöffnet und bat mich herein. „Wir leben hier in einer kleinen Gruppe erzählte er mir“, während er durch die Kirche ging und zum Abschluß des Tages alle Ikonen küsste und sich danach bekreuzigte. Das Leben im Kloster sei einfach, aber er war zufrieden, hatte es den Anschein. Doch er erzählte mir auch von der langen Geschichte des Klosters, das vom byzantinischen Kaiser Konstantinos IX. gestiftet wurde, als Dank für dessen Kaiserkrönung. Während er auf die teilweise verblichenen Ikonen zeigte, erzählte er auch die Geschichte seiner Brüder. Das Kloster diente während des griechischen Unabhängigkeitskrieges 1822 als Zufluchtsstätte für die griechische Bevölkerung der Insel. Der heilige Ort hielt die Osmanen jedoch nicht davon ab, dort ein Massaker zu verrichten. Dabei wurden auch 600 Mönche ermordet – ein Ereignis das sich tief in die griechische Seele eingebrannt hat.
Mit einem leicht flauen Gefühl stieg ich wieder auf das Mofa, um noch rechtzeitig nach Chios zu kommen. Ich wollte schließlich nach Izmir in der heutigen Türkei – das frühere griechische Smyrna.
Infos: Im Nordwesten von Chios liegt außerdem das Örtchen Volissos, dass ebenfalls sehr schön sein soll. Auch gilt die Küste um Chios als hervorragendes Tauchrevier, mit tollen Unterwasserhöhlen.